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Was, wenn wir nicht mehr miteinander reden...?

Wir müssen mehr, nicht weniger miteinander reden, schrieb ich 2015. Heute, in Zeiten digitaler Kommunikation, die während die Pandemie nicht selten zur alleinigen Kommunikationsform geworden war, verschwand auch das direkte miteinander sprechen. Die Beziehungsebene fiel weg.

Nun, in hybriden Arbeitsumgebungen, müssen wir teilweise wieder lernen, unsere Emotionen auszusprechen. Nicht nur sachlich-fachlich die Themen bearbeiten, sondern bewusst den Gefühlen und der Beziehung von Person zu Person Raum geben.

Wie geht das bei Bildschirm-Kommunikation?

Virtuelles Kaffeetrinken wird öde, weil kaum Zwischenraum entsteht, um sich aufeinander zu beziehen und auf die Gedanken des anderen einzugehen. Das nennt man Beziehungsebene.

Sind wir dabei, unsere Empathiefähigkeit zu verlieren?

Wir brauchen die Beziehungsebene von Person zu Person als Echo, als empathische Widerspiegelung, um nicht in der Innenwelt des eigenen Ichs eingesperrt zu werden. Im Zuhören reflektieren wir die Gedanken. Es ist der Spiegel, in dem wir uns in dem anderen erkennen.

Bildschirme kennen keine Empathie

Immer noch finden in vielen Firmen Videokonferenzen ohne Kamera statt, um Datenvolumen zu reduzieren. Der Sender sieht seine Empfänger nicht. Die enge Zeittaktung von online-Meeting zu online-Meeting hat sich nicht verändert. Ja, es ist bald überall üblich, nebenher zu arbeiten. Wie soll man sonst auch sein Pensum schaffen? Ich bin eingeloggt, das war’s auch schon. Mouse bewegen, nebenher arbeiten, essen, trinken, Kinder betreuen. Es hat sich eingespielt. Es ist halt so.

Einige Firmen bzw. Chefinnen und Chefs haben die 5-Minuten-Übergänge eingeführt, so dass eine Stunde nur noch 55 Minuten hat. Noch besser weil gesünder und effektiver wäre es, die 45 Minuten-Schulstunde einzuführen.

Woher weiß ich, was im digitalen Raum beim anderen ankommt?

Nur aus meiner Vorerfahrung. Das übertragen wir auf die online-Meetings. Wir wissen nicht, was beim anderen ankommt. Das einseitige Sendeverhalten schlägt sich bereits im Vokabular nieder, wenn Mitarbeiter sagen, "ich habe alles abgesetzt" oder "ich hatte noch 10 Minuten, meine Sachen zu adressieren". Adressieren ohne den Bezug zum Adressaten ist ein-Weg-Kommunikation. Weil die Senderin keinen Bezug zu ihrer Gesprächspartnerin hat, verliert sie auch den Bezug dazu, ob etwas beim anderen angekommen ist.

Fehler sind häufig die Folge von Missverständnisse, fehlendem Nachfragen und rückversichern, ob man es richtig verstanden hat. So entsteht ein Dialog. Bei der Einweg-Kommunikation bleibt genau das auf der Strecke.

Ich brauche einen Raum des Vertrauens - meistens ist es ein Gefühl des Vertrauens -, um meine Gedanken, Fragen, Zweifel, Geistesblitze und was der menschlichen Möglichkeiten mehr sind, anzusprechen. Wenn das nicht da ist, bin ich angreifbar.

Jeder Versprecher, jedes laute Denken, jede Entwicklung und Ausarbeitung, ja das Ausbreiten der Gedanken vor dem digitalen Auge des Zuhörenden macht den Sprechenden verletzlich. Angreifbar. Verwundbar. Ohne Empathie werde ich massiv auf mich selbst zurückgeworfen. In unserer gemeinsamen Arbeits- und Lebenswelt von Mensch zu Mensch ist das etwas wenig.

Etliche verlieren mittlerweile auch den Bezug zu sich selbst und können nicht mehr einschätzen, wie laut, wie lange, wie schnell sie reden, wenn sie in das digitale Nichts sprechen.

Ohne sich aufeinander zu beziehen, entsteht wenig zwischen uns Menschen.

Den Bildschirmen ist es herzlich egal, wie Ihre Befindlichkeit ist. Die Maschine bleibt immer gleich in ihrem "Verhalten".

Wer allerdings eine Beziehung zu Menschen, Dingen und Maschinen aufbauen kann, ist der Mensch.


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