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Mensch-Coach oder Coaching-Bot - woher wissen Sie, dass ich Mensch bin?

Klar, ganz einfach, Sie klicken auf ich bin kein Roboter und ich klicke auf ich bin auch kein Roboter.

Und schon kann’s losgehen. Aber was geht eigentlich los? Was geschieht im individuellen Coaching? Geht ChatGPT im online-Coaching?

Keine Wertungen im Coaching

Das klassische Coaching ist ein klarer, ja strenger Prozess. In den allermeisten Coaching-Ansätzen gilt: die eigene Wertung und Bewertung als Coach gehören nicht in einen Coachingprozess. Das ist ein schwieriger Lernprozess für angehende Coachs, sind doch unsere Alltagsgespräche im Miteinander auf Empathie, Einfühlen, Mitfühlen, Nachvollziehen und emotionales Spiegeln aufgebaut.

Unsere Spiegelneuronen im Gehirn regen zur Nachahmung an, das betrifft auch das Lachen, wenn wir lachende Menschen sehen, wir neigen dazu, ebenfalls zu weinen, wenn wir weinende Menschen sehen, wir lächeln, wenn uns jemand auf der Straße oder im Geschäft anlächelt, was ja selten genug geschieht.

Wir sind aufeinander bezogen. Wir gehen aufeinander ein. Wir drücken unser Mitgefühl aus, wir klinken uns in Gedanken und Gefühle des anderen ein mit Worten wie das kenne ich... ja, genau das habe ich auch schon erlebt... neulich habe ich einen guten Podcast mit guten Tipps gehört...

Und das eben beschriebene Verhalten geschieht genau im Coaching seitens des Coach nicht. Sie klinken sich nicht mit Worten ein. Sie bestätigen nicht, indem Sie ähnliche Erfahrungen mitteilen.

Hingegen stellen Sie als Coach Fragen, offene Fragen, regen mit guten Fragen die oder den Coachee zum Nachdenken an, fragen und unterstützen die Kundin oder den Kunden, eigene Lösungen zu entwickeln und Handlungsschritte zu entwerfen und Dimensionen eigener Verantwortung zu erkennen.

Das könnte ein Coaching Bot auch - oder?

Unter KI Perspektive sind bestimmte Coaching-Ansätze fast prädestiniert für Coaching-Bot: Offene Fragen stellen. Fragen, welches das relevante Thema für die Sitzung ist. Spiegeln (paraphrasieren), was die oder der Coachee gesagt und gefragt hat. Lösungsfragen an die Coachee geben. Wieder paraphrasieren, wieder nachfragen. Handlungsräume vom Coachee durch gute Fragen entwerfen lassen, paraphrasieren, Umsetzungsschritte erfragen etc. Das wäre Coaching auf handwerklich ordentlichem Level.

Es wäre kein qualifizierter Coaching-Dialog.

"Das gedruckte Wort kann nie das lebendige ersetzen." Jaspers, Karl: Leben als Grenzsituation. Göttingen 2019, S. 138.

Unter meinen kanadischen Kolleginnen und Kollegen erinnere ich eine Kollegin, die sich auf die Coachingsitzungen vorbereitete, indem sie sich völlig leer machte, wie sie es nannte. So könne sie auf der höchsten Ebene zuhören - nämlich ohne Wertungen und Interpretationen - und der oder dem Coachee den größtmöglichen (Entwicklungs-)Raum gewähren.

Nun, eine Maschine ist eine Maschine und ist gefüttert mit Unmengen Datensätzen über Coachingsitzungen und -prozessstrukturen. Die Maschine muss ihr moralisches Gewissen nicht neutralisieren, indem sie sich leer macht, denn da ist kein moralisches Gewissen, keine Würde, kein Mitfühlen (gemeint ist sinnliches Fühlen, und kein von der Maschine ausgesprochenes bloßes ich fühle).

Menschliche Intelligenz vs. KI bzw. AI?

Wir Menschen lernen mit dem Spracherwerb Bedeutungen, Zusammenhänge, Werte, Kultur, Ethik, wir scheiden Gut von Böse, erwerben Verhaltensmuster für soziales Miteinander - und beginnen, unsere sinnlichen Erfahrungen über die Welt-Erfahrung nach und nach in Worte zu kleiden.

Die Maschine wird mit abertausenden Worten, Syntaxen, Logiken etc. gefüttert, um bestmöglich zu simulieren und zu generieren. Inwieweit künstliche Intelligenz etwas mit menschlicher Intelligenz zu tun hat, sei dahingestellt, immerhin heißt es ja bei Maschinen künstliche Intelligenz, und nicht menschliche Intelligenz. Das scheinen wir in unserer reflexartigen Sorge, KI könne dereinst besser als der Mensch werden, zu vergessen.

Menschliche Intelligenz umfasst ja weit mehr, nicht umsonst sprechen sogar Management-Bücher von sozialer Intelligenz als wichtiger moralisch-ethischer Kompetenz für Führung und Leadership.

Die Reduzierung des körperlich-räumlichen Kontaktes während der Corona-Pandemie hat vielfach auch zu sozialer Distanzierung geführt und emotionale Verkümmerungen bewirkt. Die Krankschreibungen aufgrund seelischer Leiden haben laut einiger Krankenkassen in 2022 um mehr als 10 Prozent zugenommen.

Die Maschine würde nicht leiden, sondern einfach in der Ecke stehen, ausgeschaltet.

Soziale Kompetenz, miteinander reden, aufeinander zugehen müssen wir als Kleinkinder erst lernen. Wir können es in Krisenzeiten wie Krieg, Verrohung, Pandemie etc. auch wieder verlernen. Und müssen wieder neu lernen, aufeinander zu zugehen und sich für den anderen zu interessieren. Und irgendwie hat Menschsein ja auch mit Denken, Durchdringung, Erkenntnis und Intelligenz zu tun.

"Das Selbige aber ist zu erkennen, und zugleich der Grund, weshalb eine Erkenntnis seiend ist." Parmenides: Vom Wesen des Seienden. Frankfurt/Main 1986, S. 25

Ethik

Ein Coaching Bot für online-coaching, mit dem nicht nur tools erworben und das tägliche Arbeitsleben optimiert wird, braucht Regeln und Grenzen hinsichtlich Ethik, Verantwortung, Wahrung der menschlichen Würde. Sonst mag es zukünftigen Coachees ergehen wie Kevin Roose, der in einer zweistündigen Konversation Microsofts Chatbot mit Fragen ausreizte, bis dass der nunmehr Sidney sich nennende Chatbot zu verletzenden Unterstellungen und Forderungen überging. (Roose, Kevin in: NYT, Feb 18-19, 2023, business 6).

Ethik, Moral, Verantwortung für eigenes und fremdes Handeln übernimmt der Chatbot nicht. Da ist nichts. Das aber ist notwendig, wenn die Klienten nicht dazu angestiftet werden sollen, ihren Chef zu verhauen oder die Chefin mit Hass zu überziehen oder das Büro anzustecken.

Es sind wir, die die Grenzen, vor allem ethische, festlegen (sollten), wenn Coaching Bots mehr als Coaching-Plattformen und Coaching-Labs werden.


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